„320 Dattelsorten?“ fragt unser Guide Mohammed erstaunt nach. Doch der alte Dattelhändler auf dem Souq von Rissani nickt heftig. Dreihundertzwanzig Dattelsorten weiß man hier zu unterscheiden! Immerhin, eine stattliche Auswahl findet sich heute im Angebot auf dem Markt. Die Ernte ist bald eingeholt und das große Dattelfest ist schon in einer Woche.
Rissani
Sonntags ist der Große Markt in Rissani und aus dem weiten Umland kommen viele Händler mit Eseln und Karren hier zusammen. Dafür gibt es einen eigenen Parkplatz – Karren parken links und die Esel rechts. Gibt man dem Parkplatzwächter ein paar Dirham extra, dann sorgt er dafür, dass die Eselin auch einen prächtigen Hengst findet. Das gibt erst neidische Blicke und später Nachwuchs. „Parkverkehr“ auf Marokkanisch…
Rissani liegt im Tafilalet (oder für die Berber unter uns: ⵜⴰⴼⵉⵍⴰⵍⵜ), der mit ca. 1400 m² größten Datteloase der Welt. Früher war hier die berühmte Handelsstadt Sijilmassa. Hier kreuzten die Karawanenrouten und brachten schwarze Sklaven, Gold und Elfenbein aus Timbuktu im Tausch gegen die Produkte vom Mittelmeer. Ihr Handel reichte bis nach Jordanien. Die Stadt war reich und prächtig. Das erntete auch viele Neider und so wurde die Stadt 1816 zerstört. Vielleicht lag es aber auch am Nachlassen des Karawanenhandels…
Merzouga
Sein Großvater kam als Sklave im Kindesalter aus Mali mit einer der Karawanen hier an, erzählt er uns nachdem er uns seine köstliche Berberpizza an den Tisch brachte. Mitten im „Nirgendwo“ einer flachen Steinwüste bei Merzouga liegt das Restaurant „Cafe Nora“, danach hört die befestigte Straße auf und die Wüste Erg Chebbi beginnt mit ihren gewaltigen Sanddünen. Irgendwo im Nirgendwo kommt dann die Grenze zu Algerien. Man sollte tunlichst vermeiden, sie „versehentlich“ zu überqueren, denn die Grenzsoldaten gelten als sehr humorlos…
Unser Hotel Riad Madu in Merzouga liegt direkt vor den Dünen. Auch wenn Wasser eher knapp ist, ist, man leistet sich einen Pool. Das Wasser kommt von weit her aus dem Atlasgebirge durch unterirdische Kanäle – den Foggaras (heißen woanders auch Quanats, Faladsch oder auch Kariz). Ob die Wasserversorgung aber auch den steigenden Anforderungen eines expandierenden Tourismus mit ständig neuen Hotels gewachsen ist, bleibt fraglich.
Ein seit der Karawanenzeit bewährtes wassersparendes Fortbewegungsmittel ist das Kamel. Und dank des Tourismus gibt es hier in Merzouga heute vermutlich mehr Kamele als damals. Und auch wir wollen uns einen Ritt auf den Wüstenschiffen nicht entgehen lassen. Aber ausgerechnet an unserem Exkursionstag nimmt der Wind mehr und mehr zu und bläst uns den feinen Sand um die Ohren. Wir packen die Videokamera zum Schutz in ein „schickes“ Plastik-Outfit und uns in die hier üblichen, noch schickeren Chechs (oder auch Tamascheq genannt).
Schnell wird uns klar, warum sich diese modische Kopfbedeckung in der Wüste durchgesetzt hat. Je nach Windstärke lässt sich so ein Chech flexibel bis auf einen kleinen Seeschlitz verschließen. Dafür lohnt sich auch zu lernen, wie man sie bindet, ohne sich dabei zu strangulieren. Das Dromedar scheint jedenfalls an den Anblick gewöhnt zu sein – zumindest schüttelt es sich nicht vor Lachen als es mich sieht. Danke! Und schon schaukelt es in seiner stoischen Ruhe mit mir los.
Luxury Desert Camp
Das „Luxury Desert Camp“ trägt seinen Namen zurecht. Spül-WC, Dusche, ja selbst eine Klimaanlage finden wir in unserem Zelt vor. All das nehmen wir verwöhnten Touries noch mit ebensolch stoischer Gemütsverfassung hin. Aber was uns nun wirklich fassungslos macht, ist die wohl köstlichste Speisenzubereitung auf unserer gesamten Reise. Sie haben es tatsächlich fertiggebracht, den besten Koch „in die Wüste zu schicken“. Chapeau!
Marrakech
Die Kamelkarawanen brauchten damals 11 Tage bis nach Fes und einen weiteren bis Meknès. Dort lag unser erstes Etappenziel, nachdem wir in Marrakech aufgebrochen waren. Dazu später mehr, beginnen wir erstmal mit Marrakech.
Der Djemaa El Fna, der „Platz der Geköpften“ gilt sicher als DAS Spektakel von Marrakech. Besonders in den Abendstunden ist er so faszinierend wie auch polarisierend zugleich. Man muss hin – aber man muss aufpassen! Nirgendwo wird Scamming und aufdringliche Anmache so gekonnt praktiziert, wie hier. Na ja, außer bei der Gerberei… Da weiß man noch ’ne Schüppe draufzulegen. „Dabei kommen doch gerade heute die Berberfrauen aus dem Hohen Atlas und bieten ihre Lederwaren einmalig günstig an. Ich führe Sie gerne hin…Und für diesen Tipp bekomme ich schon mal den ersten Euro.“ Wenn man die Masche erstmal kennt und ein wenig variieren kann, ist man gut gewappnet und es ist halb so schlimm. „We call the cops!“ und ein beherztes Auftreten hilft, wirklich brenzlig wird es nicht. Die Polizei weiß einem schlechten Image durch einige Heißsporne entschieden entgegenzuwirken. Der Tourismus ist ein sehr großer Wirtschaftsfaktor in Marokko und da will man nichts riskieren.
Jeder Ladenbesitzer im Souq sieht das genauso und so wird der Bummel durch die Medina zu einem angenehmen Erlebnis! Es gibt das orientalische Feeling auch heute noch in den Vierteln der Färber, der Schuhmacher und all der anderen Handwerker und Händler. Das darf man sich keinesfalls entgehen lassen! Man kann im Hotel auch nach einem (lizensierten) Guide fragen. So kann man sich nicht nur gefahrlos durch den Souq führen lassen – er führt einen aus dem Gewirr an Gässchen auch wieder heraus.
Wir erkunden gerne auf eigene Faust und hatten uns schon am Flughafen mit einer Prepaid-SIM (5 Std. nat. & internat. Telefonieren + 5 GB Internet für 10 €) für ein separates Smartphone versorgt und konnten per Google-Maps prima die Orientierung behalten. Da die Häuser in der Medina überwiegend noch kein Stahlbeton kennen, Lehmziegel lassen die GPS-Signale passieren und so klappt die Orientierung prima. Auch für die Navigation des Mietwagens hat die Lösung mit der der marokkanischen SIM-Karte und der Offline-App „Scout GPS“ auf der gesamten Reise hervorragende Dienste geleistet.
Riad Palais Sebban
Als eine der schönsten Seiten eines Marokko-Urlaubs bietet sich die Unterkunft in einem Riad an. Zahlreiche Jahrhunderte alte und wunderschön renovierte Herrschaftshäuser mitten in der Medina versetzen den Gast in eine Welt aus 1001 Nacht.
Unser Riad „Palais Sebban“ aus dem 18. Jahrhundert ist solch ein Juwel im marokkanisch-andalusischem Stil, über 4 Jahre liebevoll bis ins Detail renoviert. Jedes Zimmer ist individuell und es fühlt sich an, als ob Ciad Sebban persönlich uns eines seiner Gästezimmer bereitgestellt hat, über die er als Königlicher Finanzminister verfügte.
Wenn wir reisen, wollen wir immer auch die authentische Küche des Landes näher kennenlernen. Khalid, „Chef“ des Restaurants im Palais Sebban, bietet uns in einem Workshop Einblicke in die Zubereitung von Briaoutes mit Lachs, einer Hähnchen- Tajine mit eingelegten Zitronen, und einer köstlichen Nachspeise – Pastilla au Lait & Almandes. Werden wir bestimmt mal nachkochen;-)
Jardin Majorelle
Nach all dem Gewusel in den Souqs und auf den Plätzen tut uns die Ruhe des Jardin Majorelle auch mal richtig gut. Zwar haben auch noch etliche weitere Touristen diese Idee gehabt, aber der Trubel hält sich morgens früh noch in angenehmen Grenzen.
Yves St Laurent hat dies 4000 m² Idyll angelegt und offensichtlich ein unschlagbares Angebot an blauer Farbe im Baumarkt ergattert…
Gräber der Saadier
Marrakech hat viele Sehenswürdigkeiten, deren Aufzählung diesen Blog überfrachten würden und die man heute leicht in den gängigen Reisführern findet. 1917 waren die offensichtlich noch nicht so gut und so wurden die Gräber der Saadier nur zufällig beim Überfliegen von einem Postflugzeug entdeckt. Der Alewiden-Herrscher Mulay Ismail hatte die Nekropole aus dem 16. Jahrhundert hinter hohen Mauern verborgen, um die ungeliebte Dynastie der Saadier besser vergessen zu lassen. Demarketing auf Marrokanisch…
Meknès
Das Stadttor Bab Mansour in Meknès gilt als das schönste des ganzen Landes. Als es fertig war, fragte Sultan Moulay Ismail seinen Architekten, ob er ein noch schöneres für ihn bauen könnte. Als dieser eilfertig die Frage bejahte, schlug ihm der Sultan den Kopf ab – es sollte kein schöneres als dieses geben… Nun, alle weiteren Architekten haben die Message verstanden und damit blieb es schönste. Pragmatische Ansätze findet man hier auch heute noch: Meknès beheimatet in diesem islamischen Land mit seinem Alkoholverbot die einzige Weinanbauregion. In manchen Restaurants Marokkos wird der Wein denn auch ausgeschenkt. Wir haben aber auch strenggläubige Muslime getroffen, die sich weigern, generell im Alkoholausschank zu arbeiten (und sich daher lieber auf das Servieren des Frühstücks beschränken).
Fes
Unweit entfernt liegt Fes als dritte Königsstadt neben Marrakech und Meknes. Sein Souq ist noch größer als der in Marrakech und die Gassen sind noch deutlich schmaler und wuseliger. Aber dafür dürfen hier keine Motorräder hinein, was der Gesundheit in mehrerlei Hinsicht guttut.
Wir empfanden den Souq als wesentlich angenehmer als den von Marrakech. Weniger aufdringliche Anmache, ruhiger und selbst die Gerbereien – wir besuchten die kleinere Gerberei Sidi Moussa – war nicht mit Nötigungen zum Lederwarenkauf verbunden. Insgesamt wirkt der Souq noch authentischer und weniger touristisch.
Seine Größe sollte man allerdings nicht unterschätzen und so verwundert es auch nicht, dass es darin noch „GSM-Funklöcher“ gibt, die Google Maps bisweilen vor Rätsel stellt…
Deutlich beschaulicher ist da der kleine Souq im Mellah im Fes el-Jdid, dem Judenviertel. Auch die farbigen Gassen zeichnen ein ganz eigenes, interessantes Bild. Wir genießen den Ausflug und entspannen noch ein wenig in unserem schönen Riad Al Makan, bevor es am nächsten Tag mit dem Mietwagen weitergeht.
Midelt
Der Weg nach Merzouga ist lang. Da ist der eingeplante Zwischenstopp in Midelt eine willkommene Pause. Das Städtchen am Fuß des Mittleren Atlas hat ein mildes Klima, vergleichbar mit unserem und gerade hat man die Apfelernte gefeiert. Die Villa Pomme d’Or verwöhnt uns mit einer Forelle aus dem Atlas-Bächlein. Nebenan steht ein Fachwerkhaus. Fast wie zuhause in Deutschland. Nur die Inneneinrichtung versucht sich im Spagat zwischen Orient und Afrika: Zahlreiche afrikanische Figuren, Masken und andere Deko berichten davon, was man von den durchreisenden Karawanen im Tausch gegen heimisches Obst so bekommen hat…
Unser Mietwagen bekommt eine kostenlose Wäsche (!) und wir ein üppiges Frühstück. Dann machen wir uns auf den Weg ins Tafilalet nach Rissani und Merzouga. Die Landschaften zu beschreiben, überlasse ich mal lieber dem Video. Bilder sagen mehr als 1000 …
Ouarzazate
Die Dattelernte ist von den Palmen geholt, die Wüste bezwungen und der Sand auch aus der letzten Augenmuschel meiner Kameras gebürstet. Wir brechen auf, entlang der Straße der 1000 Kasbahs nach Ouarzazate. Nun ja, gar so viele hat man sicher nicht aus dem Lehm stampfen können, dennoch ist dieser Road-Trip von einer einzigartigen orientalischen Authentizität geprägt.
Bei Tinghir sehen wir uns eine Datteloase mal näher an und sprechen einen der Bauern an. Der Anbau erfolgt auf „drei Ebenen“: Die Feldfrüchte (wie z.B. Kräuter) am Boden, Obst (z.B. Oliven, Obst) auf „halber Höhe“ in Büschen und schließlich hoch oben die Datteln in den Palmen. Damit wir es richtig verstehen, kommt schon der nächste Bauer herbei und spendiert uns einige von seinen köstlichen Datteln. Wenn wir mögen, könnten wir gerne auch mehr bekommen. Ein junger Mann spricht uns an. Er lebt mittlerweile in Luxemburg und verbringt seinen Urlaub hier bei seiner Familie. Er lädt uns zum Tee nachhause ein, zeigt aber glücklicherweise Verständnis, dass wir weiter¬müssen. Der Weg ist noch weit…
Erst am späten Nachmittag erreichen wir die Kasbah Taourirt in Ouarzazate. Unser Hotel, das Dar Kamar liegt mitten in dem Kasbah-Viertel. Ehemals ein Gerichtshof des Pasha Glaoui aus dem 17. Jahrhundert. Authentischer kann man nicht nächtigen. Der Wagen muss vor der Kasbah parken, dann geht es zu Fuß weiter mit einer Skizze, die uns das Hotel vorab geschickt hat. Wenn es geregnet hat, ist dieser Weg eine glitschige Rutschpartie im Lehm, so berichteten uns andere Reisende. Aber es regnet hier selten… Allah sei Dank!
Der Weg durch die Kasbah war, wie so oft auf dieser Reise, von der bohrenden Frage meiner Gattin begleitet: „Bist Du Dir SICHER?!?“ Ich pflege das stets mit dem Brustton der Überzeugung zu bejahen…
Die Renovierung hat den Gerichtshof in ein wunderschönes Boutique-Hotel verwandelt, die Suite bestand jeden Haftprüfungstermin und die Dachterrasse bot in der Abendsonne einen atemberaubenden Blick über die Kasbah und das angrenzende Oasen Tal. Und der Blick meiner Gattin verriet, dieses Gerichtsverfahren ging zu meinen Gunsten aus…
Auch heute noch werden in der Kasbah die Bauarbeiten an den Häusern mit hand¬gemachten Ziegeln aus Lehm und Stroh gemacht. Das hält im Winter warm und im Sommer kühl.
Wenn man bauen will, wird der große Platz gesperrt und man kann sich mit seiner Lehmziegelproduktion hemmungslos ausbreiten, bis der Lehm trocken ist…
Ouarzazate ist längst nicht so bekannt wie New York oder Paris und ist doch weltberühmt. Zahllose Filme wurden hier gedreht (Lawrence von Arabien, Himmel über der Wüste, Gladiator, Die Päpstin und zahlreiche weitere). Es gibt zwei große Filmstudios, die gerne auf die Kulisse von Aït-Ben-Haddou und all die anderen Kasbahs zurückgreifen.
Es sieht halt alles genauso aus wie vor hunderten Jahren. Selbst in unserer Kasbah wäre ich nicht erstaunt, käme plötzlich eine Karawane durch die Gassen…
Wir nehmen den Rückweg über den Hohen Atlas nach Marrakech durch Telouet. Die Straße ist erst vor einiger Zeit neu asphaltiert worden und (außer für lange Busse) gut zu befahren.
Das Tal des Asif Ounila zieht einen fruchtbare grünen Oasen-Streifen durch das tief eingeschnittene schroffe Gebirge. Fluss wäre übertrieben, mehr ein Bach manchmal nur Rinnsal, manchmal nicht mal das. Und dennoch wird jeder Tropfen von den Bewohnern der Berberdörfer für den Anbau genutzt.
Einst waren ihre Behausungen in Felsspalten errichtet, aber auch die Nachfolgegeneration ist schon verlassen. Zu mühsam ist es hier, die Häuser aus Lehmziegeln instand zu halten.
Wir überqueren den Hohen Atlas über den Tichka-Pass und nehmen Kurs auf Marrakech.
Noch eine letzte Nacht genießen wir den Zauber des Orients im Palais Sebban.
In einem sind wir uns sicher: Mit Marokko sind wir „noch nicht fertig“ und freuen uns schon auf die nächste Reise in dieses faszinierende Land.